Mein Bild von der Nordsee war von Kindheitstagen an, über Jahrzehnte hinweg, geprägt durch Urlaube in Dänemark, Nordholland und Texel. Die meiste Zeit habe ich dort außerhalb der Ferienzeiten verbracht, also eher im Frühling und Herbst, statt im Sommer. Die Ferienhäuser sind dann um einiges günstiger und ich liebe diese Momente, wenn man ganz allein, möglichst noch bei heftigem Seewind, am Strand steht und sich unter dem Kreischen der Möwen den Elementen stellen muss. Der Sand, der einem um die Ohren peitscht! Die Brandung, die eine Kommunikation unmöglich macht! Und der Wind, gegen den man auf dem Hinweg ankämpfen muss, um sich dann auf dem Rückweg von ihm tragen zu lassen. Stundenlange Spaziergänge, mit oder ohne Musik auf den Ohren, habe ich an diesen Küsten unternommen und mich jedes Mal danach großartig gefühlt.

Als Kinder sind wir durch die Dünen getobt, haben den anderen im Sand verbuddelt und Sandburgen gebaut, bis die Flut sie überschwemmt hat. Es waren die schönsten Momente meiner Kindheit, meiner Teenagerzeit und auch jetzt geht mir immer wieder das Herz auf, sobald ich die Nordsee erblicke.

Dann zog ich ins Oldenburger Land und krankheitsbedingt konnten wir erstmal keine weiten Fahrten mehr unternehmen. Ich weiß noch, wie enttäuscht ich war, als ich das erste Mal im Wangerland die Nordsee wieder sah. Die gleiche See war hier so gezähmt und brav. Hier gab es kaum Wellengang, keine Brandung! Selbst der Weg dorthin ist hier nur selten von Dünen versperrt. Und wenn wir vorher nicht auf den Tidenkalender geguckt hatten, war sie überhaupt nicht da!

Ich habe lange gebraucht, um auch den Charme des Wattenmeers für mich zu entdecken. Diese Möglichkeit, weit über das Watt laufen zu können, in Bereiche, die dann wieder überschwemmt werden. Die Faszination, das die Nordsee sich so weit zurückzieht, bevor sie dann fast lautlos wieder zurückkehrt. Das unzählige Leben, das im Watt stattfindet. In Hooksiel besuchte uns noch letzte Woche am Strand eine Kegelrobben-Familie!

Ich muss gestehen, dass ich die wilde, raue Nordsee der sanfteren Version vorziehe! Dennoch ist es die gleiche See, die uns nur ein anderes Gesicht von sich zeigt!

Ihre Inken Ibsen